Reinhold Messner: "Der Weltmeister im Ankündigen ist Jost Kobusch"

2021-12-29 21:06:23 By : Mr. Arthur Li

Der Südtiroler spricht über "Ankündigungs-Alpinisten" und alpinistische "Möchtegerne".

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ALPIN-Autor Andreas Haslauer traf Reinhold Messner auf Schloss Juval und befragte den Hausherren über den Alpinismus damals und heute, seinen Umgang mit Ängsten sowie die Verbindung zu seinem Bruder Günther. Das komplette Interview findet ihr in unserer Juni-Ausgabe. Auf alpin.de präsentieren wir euch das Gespräch als kleine Serie. Hier klicken, um direkt zum ersten Teil zu kommen; den dritten Teil findet ihr hier. 

Wen meinen Sie mit "Möchtegerne" ?

Die "Ankündigungs-Alpinisten". Während Huber und Honnold immer erst handeln und dann reden – machen es diese genau andersherum. Die kündigen dies und jenes vollmundig über die sozialen Medien an – haben aber gar nicht vor, ihre Expedition oder Erstbegehung zu Ende zu bringen. Noch schlimmer: Sie haben gar keine Chance, weil sie so eine Mammut-Aufgabe schlichtweg nicht bewältigen können. Das wissen aber ihre Instagram- und Facebook-Follower nicht

Wie soll ein 19-Jähriger, der noch nie inden Bergen war, einschätzen können wie gefährlich die Annapurna oder der Nanga Parbat ist? Der Weltmeister im Ankündigen ist Jost Kobusch. Er versuchte im Winter allein und ohne Hilfsmittel auf den Everest zu steigen. Und das, obwohl er am Ende sagte, er hätte nur eine ein prozentige Chance gehabt.

Messner feierte am 17. September 2020 seinen 76. Geburtstag und ist noch kein bisschen "bergmüde".

Der junge Bielefelder muss doch erst mal Erfahrungen sammeln – genau wie Sie früher. Sie haben auch 13-mal einen Achttausender versucht und es nicht geschafft.

Nanga Parbat, seinen Schicksalsberg, schrieb Messner genau wie alle anderen Bücher per Hand.

Moment! Da gibt es einen ganz erheblichen Unterschied. Bevor ich mich entschloss, auf den Nanga Parbat zu steigen, stand ich schon auf ein paar Tausend Gipfeln. Diese Besteigungen und Klettereien waren der Grundpfeiler in mein Vertrauen, mein Können und meine Psyche. Ich kletterte schon mit fünf Jahren zusammen mit meinen Eltern auf den höchsten Gipfel der Geislerspitzen, den 3027 Meter hohen Sass Rigais. Und Kobusch? Er stand mit 17 Jahren zum ersten Mal auf der Zugspitze, ist mit der Bahn hochgefahren.

Und was werfen Sie ihm vor?

Nichts. Aber wenn ich nur eine Chance von einem Prozent habe, fliege ich erst gar nicht nach Nepal, sondern suche mein Glück auf einem kleineren Hügel irgendwo in der Umgebung meines Wohnorts

Waren Sie schon mal auf Instagram?

Einmal. Im letzten Winter habe ich nach Kobusch gesucht. Über den Jungen habe ich genauso geschmunzelt wie über die glorreiche Idee, Klettern olympisch zu machen. Dieses Rumgehüpfe an der Wand sind doch affenartige Verhaltensmuster. Da gibt es bestimmt Zuseher, die sagen: „Ah, jetzt verstehe ich was Messner früher so gemacht hat.“ Wenn das der Fall ist, ist der Alpinismus tot.

15 Meter an einem Sicherungsseil in einer klimatisierten Halle hochzuturnen, ist doch etwas anderes, als ungesichert durch die Rupalwand zu steigen. Nur ein Beispiel: Die Rupalwand ist zweieinhalbmal so hoch wie die Eiger-Nordwand, achtmal so hoch wie die Nordwand der "Großen Zinne". 

Messner polarisiert mal wieder mit seiner Aussage. Hier könnt ihr ein paar eurer Kommentare dazu lesen. 

Hinzu kommt der Sauerstoffmangel. Das müssen Sie sich malvorstellen: Sie klettern eine 4500 Meter hohe, fast senkrechte Wand aus Eis und Fels bei 30 Grad minus hoch – und das mit 50 Prozent weniger Sauerstoffpartialdruck. Das ist Alpinismus!

+++ Alle unsere Berg-Rätsel für SchlauBERGer findet ihr hier. +++

Text von ALPIN / Andreas Haslauer

Vorab, ich ziehe meinen Hut vor Reinhold Messners Leistungen. Leider stiegen ihm Ruhm und materieller Erfolg stärker zu Kopf als es ein Mensch verkraften kann. Er scheint vor Arroganz und Selbstverliebtheit offenbar die Menschlichkeit vergessen zu haben, das wird in seinen Interviews immer wieder deutlich. Würde auch nur ein Funke des Glücks in ihm wohnen, über das er so gern spricht, würde er in sich ruhen wie Buddha. Dann hätte er es weder nötig, seine Eigenleistung an der Rupalwand zu verherrlichen, noch mit purem Aktivismus jenseits der 70 seine eigene Sterblichkeit vergessen zu machen. Stattdessen triefen seine Zeilen vor Bitterkeit über die vermeintlichen "Äffchen", derer er evolutionär selber einer ist - und von denen er sich mit Anfang 20 in Null komma nichts unterschied. Der einzige Unterschied: Damals gab es weder Kletterhallen noch Facebook noch Hightech-Ausrüstung.

Na klar der alte Messner muss seine Meinung zu allem in die Öffentlichkeit sch****en. Ich glaube fast, rum zu krakeelen hat mit Alpinismus auch nichts zu tun. Ein alter, bitterer Mann, der viel zu viel von sich selbst hält. Armselig.

Ein Teil meines letzten Satzes fehlt, pardon! "Selten habe ich jedoch bei einem sloch jungen Autoren - Jost war da wohl gerade mal Anfang 20 - so viele interessante philosophische Einsichten gelesen."

Ich kenne Jost ein wenig, habe ihn zweimal in Nepal (2013 am Flughafen, als er von der Ama Dablam zurück kam und ich vom Manaslu; 2015 am EBC, als er auf den Lhotse wollte und ich auf den Everest) getroffen. Ich habe ab und an Kontakt zu ihm. Er ist ein passionierter und freundlicher, sehr starker Bergsteiger. Er redet gern von seinen Erfahrungen am Berg weil er sich selbst als Versuchskaninchen betrachtet, genau wie Reinhold Messner... früher auch. Ich betrachte weder RM noch JK als "Egomane" - schade, daß RM JK das vorwirft, was er selber praktiziert hat... Jost kündigt seine VERSUCHE an? Na und? Was ist daran falsch? Er hat nichts angekündigt, was er nicht später auch versucht hat! Ihm geht es wohl kaum darum Geldgeber an Land zu ziehen, Herr Messner... Ich empfehle jedem die Lektüre des Buches von Jost; als promovierter Philosoph und selber Autor habe ich viel gelesen, in meinem 57jährigen Leben. Selten habe ich jedoch bei einem sloch jungen Autoren - Jost war da wohl gerade mal Anfang 20. Ich wünsche dir, Jost, TASHI DELEK am Big E!

Ich weiss nicht, weshalb Messner auf Kobusch rumhacken muss. Zweifelsohne hat Messner Unglaubliches erreicht. Aber weshalb sollte Jost Kobusch nicht an den Everest fahren, wenn ihm der Sinn danach steht? Es gibt keine Pflicht die südtiroler Ochsentour zu absolvieren, bevor man den Everest im Winter versucht.

Warum nicht mit dem Pogo-Stick oder mit Stöckelschuhen auf den Jochberg. Hat sicher auch noch niemand gemacht.

Meiner Meinung nach muss man einfach zwischen Bergsteigen und Sportklettern unterscheiden. Beides braucht unterschiedliche Fähigkeiten und Stärken. Auch Sportkletterer selbst kämen wohl kaum auf die Idee z. B. einen Halle-Boulderwettkampf mit einer Tour am K2 zu vergleichen.

Es ist interessant, wie sich so manche Möchtegernbergsteiger in den Vordergrund rücken und Messner als zahnlosen Tieger bezeichnen. Ich war in meiner Jugendzeit von den Leistungen von Reinhold und Günther begeistert . Deren Leistung zählt geraden in den Dolomiten doch noch heute zu den heruas-ragenden Begehungen (Marmolada, Civetta, Kreuzkofel usw.) Und dies mit der damaligen Ausrüstung wie Bollerschuhe, Eisenkarqbiner. Ich lernte Reinhold damals schon kennen, konnte eine frühe Begehung (die erste in Seilschaft) der Droites Nordwand in meiner Tourenliste verbuchen und hatte größten Respekt vor Reinhold`s Alleingang in dieser Wand zu damaliger Zeit und dies ohne heutiger Eisgeräte, Er ist berechtig und befähigt, wie kein Andere, Auswüchset hier Auswüchse im Alpinsport anzuprangern und zu kritisieren. Ich will keine Leistung schmälern, wenn heute die jungen Kletterer den 9. oder 10. Grand in der Halle oder am Sportkletterfelsen sich reinziehen. Aber die Leistungen anderer Alpinisten wie Messner, Bonati, Hiebeler und wie sie sonst alle da sind oder waren in den Dreck zu ziehen und personell als zahnlose Löwen zu bezeichnen, ist doch mehr als dumm und blöd. Er hackt nicht auf den jungen herum, nein er sagt nur die Wahrheit.

Schon erbärmlich mit seiner Lebenserfahrung auf Jüngeren herumzuhacken um das eigene Ego im glitzernden Rampenlicht zu präsentieren. Ich wage zu bezweifeln das Meßßi in derartige Sportkletterbereiche vorgedrungen wäre wie die heutige Jugend... ach der Vergleich hinkt? Da schau her! Einfach altersstarrsinnig

Messner hat bisher stets Recht. Der Pistenalpinismus ist die eine Krankheit, die Kommerzialisierung des Kletterns und dessen Auswüchse (Hallenklettern, Olympia, Instaposer usw.) die Andere. Da steckt mir zuviel Sportgedanken und Ausverkauf drin, statt ganz persönlicher Menschwerdung in Demut vor dem Berg. Dass sich hier viele, gerade Hallenturner, angegriffen fühlen verstehe ich nicht. Alpinismus auf dem Spielplatz gibt es nicht.