Das Videoauge hilft Ermittlern in Stuttgart in Zügen und auf Bahnsteigen - Land Baden-Württemberg - Reutlinger General-Anzeiger - gea.de

2021-11-16 21:48:36 By : Mr. Roger Cao

Das Netz von Überwachungskameras auf der Bahn wächst. Die Polizei schnappt deshalb in Stuttgart viele Kriminelle.

STUTTGART. Die Klassenfahrt in einer S-Bahn endet in einer reizenden Gaswolke. In Bad Cannstatt besprühte ein Unbekannter 19 Schüler und ihre Lehrer in einer S3 mit Pfefferspray, die auf dem Weg zu einer Nachtwanderung waren. Das Reizgas greift die Schleimhäute und die Atemwege an. An der Haltestelle Sommerrain flüchtet der Täter mit schwarzen Kopfhörern, rotem Hoodie und Adidas-Bucket-Hut. Was war sein Motiv? Kann der Angreifer noch identifiziert werden?

Für die Bundespolizeiinspektion Stuttgart ist der Fall, der Ende Juli in Stuttgart stattfand, ein klassischer Fall für den Blick auf die Videoüberwachungsdaten. Die Bundespolizei nimmt polizeiliche Aufgaben im Bereich der Bahnanlagen der Bundesbahnen wahr, zum Beispiel an den Bahnhöfen. „Für uns ist das mittlerweile ein einfacher Ermittlungsansatz mit hoher Beweiskraft im Strafverfahren“, sagt Bundespolizeisprecher Yannick Dotzek.

Und die Tendenz ist steigend: In den ersten acht Monaten wurden etwas mehr als 600 Videodaten der S-Bahn-Züge im Stuttgarter Verkehrsverbund ausgewertet. Zum Vergleich: Die Marke für das gesamte vergangene Jahr liegt bei 800. Der mittlerweile routinemäßige Zugriff auf die Kameras in 157 S-Bahn-Zügen und der Blick auf die 83 videoüberwachten Bahnsteige im Netzgebiet der Region sind offenbar immer erfolgreicher – wenn auch mit Erfolg Tarife werden nicht statistisch erfasst. „Mit der Auswertung von Videoaufzeichnungen beschäftigen sich täglich speziell geschulte Mitarbeiter der Bundespolizeiinspektion Stuttgart“, sagt Dotzek, „der Einsatz der Technik hat sich als unverzichtbar erwiesen.“

Kommissar Videoauge half bei der Identifizierung eines Exhibitionisten, der Anfang des Jahres in einer S-Bahn-Linie 1 bei Kirchheim/Teck vor einem 13-Jährigen sexuelle Handlungen an sich selbst ausführte. Tage später erkannte eine Zivilpolizei den Mann auf den Videobildern und nahm ihn in Plochingen fest. Bis dahin war der 27-Jährige der Polizei nicht bekannt. Die Ermittlungen ergeben, dass er innerhalb von sechs Wochen voraussichtlich für drei weitere Sexualdelikte in Zeile S 1 verantwortlich sein wird. Am Tag vor der Festnahme in Kirchheim/Teck gab es bereits einen weiteren Ermittlungserfolg. Die Beamten nehmen einen 40-Jährigen fest, der sich in 13 Fällen in verschiedenen Zügen enttarnt hat, unter anderem vor einem Kind. Auch sein Markenzeichen, ein Handy mit goldfarbenem Gehäuse, ist gesichert. Bei der Tötungsdelikt am S-Bahnhof Weinstadt-Endersbach (Rems-Murr-Kreis) Anfang Juni konnte die Bundespolizei ihren Kollegen aus dem Polizeipräsidium Aalen Fotos des Tatverdächtigen zukommen lassen. Ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung der Straftat, die von einem 17-Jährigen begangen worden sein soll. "In diesem Jahr wurden am häufigsten Videodaten zu Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit ausgewertet", sagt Polizeisprecher Dotzek. "An zweiter Stelle stehen Eigentumsdelikte, dicht gefolgt von Sachbeschädigungen."

Die Bahn AG hat bundesweit aufgerüstet: Bundesweit habe sich die Zahl der Videokameras in Regional- und S-Bahnen innerhalb von zehn Jahren auf knapp 33.000 "fast verdreifacht", erklärt ein Bahnsprecher. In dieser Zeit hat sich die Zahl der Kameras auf den Plattformen auf 8.000 fast verdoppelt. In den nächsten vier Jahren soll die Zahl auf 11.000 steigen. „Gleichzeitig bedeutet das mit den neuen Kameras auch einen Qualitätssprung bei den Aufnahmen“, sagte der Stuttgarter Sprecher der Bahn AG. Bis Ende 2024 sollen alle großen Bahnhöfe mit neuer Videotechnik ausgestattet werden.

Bei der Stuttgarter Polizei nutzt insbesondere die Raubpolizei Daten aus der Videoüberwachung – in Geschäften und Tankstellen. "Es werden auch Videos aus den Straßenbahnen verwendet", sagt Polizeisprecher Stephan Widmann. Inzwischen hat die Stadtverwaltung mit mehrmonatiger Verspätung ihr Zukunftsprojekt der erweiterten Überwachung auf dem Stuttgarter Schlossplatz gestartet - eine Folge der Krawallnacht im Juni 2020. Mehr als eine Million Euro muss die Stadt für a weitere 20 Kameras an verschiedenen Standorten.

Der Reizgasangriff auf die Schulklasse in einer S-Bahn bei Bad Cannstatt wurde endlich aufgeklärt. Die Bilder des jungen Mannes mit rotem Hoodie und Adidas Fischerhut führten zu Hinweisen auf einen polizeibekannten jungen Mann. Ein 17-jähriger. "Warum er das getan hat, bleibt unklar", sagt Bundespolizei-Sprecher Dotzek.

Die Beamten konnten nur erfahren, dass er bereits einen ähnlichen Reizgasangriff in einer Jugendschutzeinrichtung durchgeführt hatte. Gegen den jungen Mann werde nun wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt, teilte die Polizei mit. Nicht zum ersten Mal. Mit mehreren Straftaten reicht der schlechte Ruf des Jugendlichen bis nach Hamburg. (GEA)

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