Neue Modemarken für Männer - und was sie über ihn verraten - WELT

2021-11-16 21:59:13 By : Ms. TRACEY HUANG

Sind Männer bereit, wieder gemeinsam in Crash-Diäten einzutauchen? Hedi Slimane glaubt immer noch: Ja. Mit Streichholzanzügen für Dior Homme beeinflusste der Franzose die Herrenmode der frühen Nullerjahre wie wenige Designer seiner Zeit. Als neuer Creative Director von Celine möchte Slimane diesen Look und wahrscheinlich auch den Ruhm von damals zurückbringen. Unter seiner Regie beschwört die allererste Herrenkollektion des beliebten Labels das Bild eines schlanken Wüstlings herauf, der sich von Zigaretten ernährt und Pariser Nachtclublichter nur durch eine schwarze Sonnenbrille sieht.

Das Styling von gestreiften Hemden mit Krawatte, Trenchcoats und engen Rollkragenpullovern wirkt in seiner Starrheit ungewöhnlich anachronistisch. Aber da Slimane seine Visionen stets gekonnt in verführerisch gelangweilte Schwarz-Weiß-Fotografie zu verpacken weiß, dürfte seine Mode ganz junge reiche Kids ansprechen, die den Anzug vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben als ernsthafte Alternative zum Logo-Hoodie entdecken . Sie passen auch ohne Diät in die neue Celine Homme.

Bei jeder Modenschau entführt der Schotte Charles Jeffrey seine Gäste in eine Art „Fantasieland“ für Drag-Performer: Männer mit weiß geschminkten Gesichtern und clownesken roten Lippen taumeln schreiend durch nachtblaues Licht, Pappdrachen mit wild gekritzelten Pappdrachen umrahmen a Modell im viktorianischen Ballkleid, androgyne Harlekine treffen auf Fabelwesen in Krinolinen und Offiziersjacken. Was wie ausgelassenes Low-Budget-Theater aussieht, spiegelt wirklich die Realität einer neuen sexuell vielfältigen Gemeinschaft wider, in der Jeffrey tief verwurzelt ist.

Die Club-Kids in der Welt des 28-Jährigen haben im inzwischen glatt polierten London ihre nächtlichen Spielplätze gefunden und setzen dort das Erbe von Performance-Künstlern und Party-Legenden wie der 80er-Jahre-Ikone Leigh Bowery fort. Charles Jeffrey bietet diesen Männern mit seinen Modenschauen eine Plattform, auf der sie die Vielschichtigkeit ihrer Männlichkeit zelebrieren können. Die Aggressivität, mit der dies geschieht, ist ein Indiz dafür, dass traditionell Punk und Clubkultur in London nur eine Sicherheitsnadel voneinander entfernt sind. Umso besser, dass Jeffreys Jeansjacken mit Graffiti, Patchwork-Anzügen oder gepunkteten Hemden auch abseits der Bühne funktionieren.

Nur wenige Designer porträtieren Männer in all ihrer liebenswerten Ungeschicklichkeit so gefühlvoll und präzise wie Martine Rose. Die gelgetränkten Haare können an der Stirn kleben, die Fleecejacken wirken muffig und die Tennissocken lassen sich mit Cargoshorts kombinieren. Mit der Londoner Designerin wird das Gewöhnliche zum Außergewöhnlichen, die Casual-Garderobe ihres Vaters erscheint plötzlich begehrenswert und der Labour-Politiker Jeremy Corbyn, von dem Rose sich bereits inspirieren ließ, avanciert zur Modeikone.

Seit 2007 verfeinert die Tochter jamaikanischer Einwanderer ihren „Dad-Look“ mit viel zu großen Jacken und viel zu hohen Hosen, die einige bekannte Luxuslabels von ihr kopiert haben – allen voran Balenciaga, die Rose hat als Berater eingestellt. Dass die Designerin so viel Spannung aus solch banalen Kleidungsstücken kitzeln kann, zeugt auch von ihrem Verständnis für die jungen Menschen und Subkulturen, mit denen die 37-Jährige in den 1990er Jahren in Londons Techno-Clubs aufgewachsen ist. Humor, Kreativität und Persönlichkeit waren damals die besten Mittel, um sich modisch von anderen Cliquen abzuheben. Heute sind sie wieder für Roses wachsende Kundschaft.

Dass auch Männer jenseits der Rap-Musik wieder Heavy Metal hängen wollen, ist Japans coolstem Ehepaar zu verdanken: Verbal und Yoon, er ist ein Popstar und sie ist eine Designerin, deren Bedeutung als kreative Inspirationsquelle schon damit verglichen wurde von Beyoncé und Jay-Z. Als Gründer der Marke Ambush entwerfen die beiden Gliederketten, Choker, Ringe und Ohrringe, die trotz ihrer massiven Größe selbst die wildeste Trägerin wie eine ästhetisch liebevolle Detailverliebtheit wirken lassen. Wenn Sie sich eine versilberte Pillendose um den Hals oder einen zierlichen Schlüssel ans Ohr hängen, schauen Sie einfach genau hin.

Es ist die Kombination aus Edelmetallen und Symbolen aus der Arbeits- und Maschinenwelt, die Ambush zum Ausstatter vieler Hip-Hop-Größen wie Kanye West gemacht hat. Schwere Goldketten mit Karabinerhaken oder Flachmann als Anhänger sind ebenso hart wie poetisch und genau das Richtige für Männer, die beides sein wollen. Zukünftig können sie auch zu Dior Homme gehen: Yoon entwirft seit April die Schmucklinie der Luxusmarke.

Klingt nach einem Witz des hartgesottenen Bestsellerautors Don Winslow, dessen Helden meist Testosteron-gesättigte Waffenfreaks sind: Zwei Scharfschützen der britischen Armee haben in ihrer Freizeit eine Marke für extra-robuste Outdoor-Bekleidung gefunden. Thrudark ist genau das. Ihre Gründer nennen sich „Staz“ und „Louis“, müssen natürlich anonym bleiben und erklären, wie ihre Einsätze in den unwirtlichsten Gegenden der Welt ihren Sinn für die Zweckmäßigkeit von Kleidung geschärft haben.

Die Website zeigt Fotos von einsamen Männern in nebligen Landschaften, die noch schmale Produktpalette, entwickelt mit dem Designer Jeff Griffin, bietet unter anderem eine SF Hybrid Jacket, einen Anorak, der wie ein Army-Shirt geschnitten, aber wind- und wasserabweisend ist und bietet maximale Mobilität ermöglicht. Griffin berichtet, wie die Scharfschützen seinen Söhnen bei Design-Meetings auf seiner Biofarm Loveland das Schießen beibringen. Schöne, alt-neue Männerwelt.

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