"Lifestyle" aus sechs Jahrhunderten

2021-11-16 21:46:35 By : Ms. Mavis Ying

Das Hessische Staatsarchiv zeigt bis März nächsten Jahres eine Ausstellung zur hessischen Mode und Bekleidung

Wer zum Beispiel schon einmal eine Hollywood-Gala bei der Oscar-Verleihung im Fernsehen gesehen hat, ahnt die Bedeutung von Mode heute. Männer haben es da relativ leicht: Frack, Fliege, teure Schuhe, fertig. Frauen hingegen unternehmen oft große Anstrengungen, um auf dem roten Teppich aufzufallen. Wer trug was? Diese Frage spielt in der Berichterstattung oft eine große Rolle. Auch die Blazer der noch Übergangskanzlerin Angela Merkel wurden regelmäßig befragt, sogar von politischen Kabarettisten.

Mode spielt also eine große Rolle in unserem Leben. Das Hessische Staatsarchiv in Marburg hat seine neue Ausstellung „Lifestyle im Archiv“ genannt, die sich bis zum 12. März nächsten Jahres mit hessischer Kleidung beschäftigen wird – aber nicht mit aktueller Mode. Das überlässt das Staatsarchiv Modemagazinen und Zeitschriften.

Die Ausstellung, eine Koproduktion der drei Hessischen Staatsarchive in Wiesbaden, Darmstadt und Marburg, widmet sich den vergangenen sechs Jahrhunderten. Die Exponate decken einen Zeitraum vom 15. bis Mitte des 20. Jahrhunderts ab – von einem Kleiderarrangement des Landgrafen Wilhelm von Hessen bis zum Auftreten von Nylonstrümpfen in der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Dennoch würde man in einem Archiv wie dem Hessischen Staatsarchiv in Marburg keinen Lebensstil erwarten. Auf rund 75 Regalkilometern lagern dort vor allem wichtige Dokumente und Schriftstücke, die ältesten aus dem 8. Jahrhundert, wie Abteilungsleiter Dr. Johannes Kistenich-Zerfass erklärt. Aber auch im Staatsarchiv lagerten Gegenstände, die man vielleicht in einem Museum erwarten würde – etwa die massiven Strohschuhe, die Archivare zum Schutz vor Kälte im ehemaligen Archiv im Landgrafenpalast trugen. Oder ein Militärhut aus der napoleonischen Zeit.

In den Vitrinen im Foyer präsentieren die Ausstellungsmacher alte Materialmuster wie „Plüsch aus Diez“ und vor allem historische Bilder. Darunter wohl die früheste Modezeichnung aus dem Archivbestand.

Die Zeichnung von 1498 zeigt einen jungen Mann mit wallenden blonden Locken, der die neueste Mode seiner Zeit trägt: enge, rote Strumpfhosen in Streifen gefärbt, die an heutige Leggings erinnern (man sieht, alles kehrt zurück). Die Trachten am spanischen Hof waren schwarz und streng und setzten sich im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert an europäischen Höfen durch, bis im barocken Frankreich extravaganter Luxus an der Tagesordnung war.

Auf neun beleuchteten Stellwänden informiert die Ausstellung über „Kostüme und Nostalgie“, „Uniformen und Staatlichkeit“ oder „Accessoires und Schönheitsprodukte“ wie die barocken Turmfrisuren oder die Nylonstrümpfe aus der Mitte des 20. Jahrhunderts.

Diese "Themenbereiche sollen erforschen, was die Sprache der Mode über die jeweilige Zeit sagt", so das Staatsarchiv. Die Mode der letzten sechs Jahrhunderte verrät viel über "die zugrunde liegenden Absichten und Weltanschauungen". Denn lange durfte nicht jeder alles tragen. Kleidung war immer Ausdruck von Klasse, dokumentiertem Reichtum oder bitterer Armut.

Und die Bilddokumente zeigen nicht die ärmlichen Fetzen, die ein Bauer im Mittelalter und in der frühen Neuzeit trug, sondern vor allem die Mode der Oberschicht.

Dr. Constanze Sieger, die im Staatsarchiv für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, und Dr. Katrin Marx-Jaskulski, stellvertretende Abteilungsleiterin, und Abteilungsleiterin Dr. Johannes Kistenich-Zerfass, können während der Ausstellung auch eine Modenschau planen, "Wenn die Corona-Pandemie es zulässt". Von Marburg geht die Ausstellung zunächst nach Wiesbaden und dann im nächsten Frühjahr nach Darmstadt. Auch das Staatsarchiv Marburg plant 2022 eine große Ausstellung zum Stadtjubiläum „Marburg 800“.

Die Ausstellung ist bis 12. März 2022 im Hessischen Staatsarchiv Marburg, Friedrichsplatz 15 zu sehen; geöffnet Montag bis Freitag von 9 bis 17.30 Uhr Telefonische Reservierung erbeten: 0 64 21/92 50-0.

Eine Anmeldung vor Ort ist erforderlich (Luca-App). Derzeit ist das Betreten des Hauses nur mit negativem Nachweis (geimpft, getestet, genesen) möglich.